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Vorwort 2022

Liebe Aktionärinnen und Aktionäre,
sehr geehrte Damen und Herren,

das abgelaufene Geschäftsjahr 2022 war wie die vorangegangenen kein einfaches. Trotz widriger Rahmenbedingungen haben wir bei ElringKlinger es aber insgesamt zufriedenstellend abschließen können.

Zu Beginn waren wir noch von einem Jahr der Erholung ausgegangen. Wir alle sehnten den Übergang in eine normalisierte, endemische Phase herbei, nachdem die Coronavirus-Pandemie Verwerfungen in der globalen Wirtschaft ausgelöst und die Welt vor viele Herausforderungen gestellt hatte. Doch dann brach in Europa ein Krieg aus, der die zuvor schon angespannte Situation erneut verschärft hat: Rohstoffpreise und Energiekosten zogen zügig und deutlich an, Materialverfügbarkeiten waren wieder eingeschränkt, Lieferketten nicht grundsätzlich stabil. Nach und nach wurde klar, dass weder der Krieg noch dessen Folgen von kurzer Dauer sein werden. Auch heute ist der Ausgang nach wie vor ungewiss.

Gewiss ist allerdings, dass das Leid der Betroffenen unmessbar ist. Zehntausende Menschen verlieren ihr Leben, Abertausende ihre Heimat. Familien werden getrennt, Ängste geschürt. Wir alle gedenken der Opfer und hoffen, dass dieser entsetzliche Konflikt bald ein Ende findet.

Langfristig ist kaum abzusehen, was der Krieg für Folgen haben wird, insbesondere politisch. Weltweit nehmen die geopolitischen Spannungen zu. Die Lage im Nahen und Mittleren Osten kann sich ebenso wie im westpazifischen Raum schnell zuspitzen. Gleichzeitig scheint das Zeitalter der Globalisierung und einer gemeinsamen wirtschaftlichen Weltordnung infrage gestellt. Ressourcen und der teils eingeschränkte Zugang zu ihnen werden wesentlicher Einflussfaktor für künftiges Wachstum und Innovation sein. Krisen und Rezessionsgefahr schweben im Raum.

Angesichts dieser Welt voller Unsicherheiten wird umso entscheidender sein, wie man sich als Unternehmen aufstellt. Bei uns im Automobilsektor spielt darüber hinaus ein branchenspezifischer Faktor eine wesentliche Rolle: Der tiefgreifende Transformationsprozess schreitet unaufhaltsam voran. Das zeigt schon ein Blick auf die Zahlen. Im vergangenen Jahr wurden rund 21,8 Mio. Hybrid- und vollelektrische Fahrzeuge hergestellt. Gegenüber dem Vor-Corona-Jahr 2019 ist das sowohl absolut als auch relativ eine deutliche Steigerung: Wurden 2019 noch 7,4 Mio. Fahrzeuge mit neuen Antriebstechnologien hergestellt, was einem Anteil von 8,4 % an der gesamten Light-Vehicles-Produktion entspricht, bedeuten die 21,8 Mio. Fahrzeuge im abgelaufenen Geschäftsjahr eine Quote von 26,4 %.

Wir bei ElringKlinger haben von diesem Trend profitiert. Gerade weil wir uns frühzeitig dafür aufgestellt hatten. Die Tochtergesellschaft EKPO Fuel Cell Technologies (EKPO) beispielsweise hat Stacks für Logistikfahrzeuge und für Brennstoffzellenanwendungen im Luftfahrtsektor geliefert. Für die weitere Markterschließung hat EKPO 2022 einen chinesischen Standort eröffnet. In Suzhou nahe Shanghai hat bereits der erste lokal hergestellte Stack das Werksgelände verlassen. Auch in der Batterietechnologie haben wir weitere Aufträge erhalten, beispielsweise über Batteriesysteme für Schnellladestationen. Darüber hinaus bereitet sich der Konzern für einen Großserienauftrag vor, der 2023 hochläuft: Ein globaler Batteriehersteller wird mit Zellkontaktiersystemen beliefert, die für die Serienplattform eines europäischen Automobilherstellers bestimmt sind. Und nicht zuletzt werden im Bereich der elektrischen Antriebseinheiten weiterhin Umsätze durch den Serienauftrag eines Highend-Sportwagenherstellers erzielt. Sie sehen, das Geschäft in den neuen Technologien läuft auf Hochtouren.

Die Transformation hin zur Mobilität der Zukunft erschöpft sich bei ElringKlinger aber nicht nur im Geschäftsbereich E-Mobility. Auch die klassischen Geschäftsbereiche, die noch vor zehn Jahren stark auf den Verbrennungsmotor ausgerichtet waren, haben sich gewandelt. Vom Geschäftsbereich Metal Sealing Systems & Drivetrain Components, dem ehemaligen Dichtungsbereich, werden zum Beispiel vollelektrische Fahrzeuge mit Produkten wie dem Lamellenträger in Serie ausgestattet. Daneben wird die Entwicklung vorangetrieben, um das breite Know-how in der Metallbehandlung für weitere Innovationen – insbesondere in der Rotor-/Stator-Technik – anzuwenden. Auch im Bereich Lightweighting/Elastomer Technology werden bereits hohe Umsatzerlöse durch innovative Lösungen für vollelektrische Fahrzeuge erzielt. Mit dem neuen Werk für Leichtbauteile in Texas werden wir künftig weiter wachsen. Sie sehen, auch im ehemals klassischen Bereich läuft das Geschäft mit neuen Technologien. ElringKlinger lebt die Transformation. Das bedeutet allerdings auch, dass wir uns auf die nachlassende Nachfrage in bestimmten Produktgruppen für den Verbrennungsmotor einstellen müssen.

Angesichts der beschriebenen Einflussfaktoren ist das Geschäftsjahr 2022 als durchaus zufriedenstellend zu betrachten. Im Umsatz sind wir mit einem organischen Wachstum von 7,4 % erneut besser als der Markt gewesen, der global um 6,7 % zugelegt hat. Unsere Umsatzerlöse erreichten infolgedessen ein Allzeithoch von 1.798 Mio. EUR. Die Ergebnisseite bestimmte ein externer Effekt wesentlich: Das im zweiten Quartal zügig angezogene Zinsniveau infolge der Inflation war entscheidend für Wertminderungen auf den Geschäfts- und Firmenwert von 86 Mio. EUR zum Halbjahresstichtag. Insgesamt beeinträchtigten Sondereffekte in Höhe von 103 Mio. EUR die Ergebnissituation 2022, sodass ein Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) von minus 42,2 Mio. EUR resultierte. Aus operativer Sicht, d. h. um diese Sondereffekte bereinigt, ergibt sich ein EBIT von 61,0 Mio. EUR, was einer Marge von 3,4 % entspricht. Damit haben wir unsere im Halbjahresbericht neu formulierten Erwartungen sogar leicht übertroffen, was angesichts des hohen Preisniveaus für Rohstoffe, Energie und Transport durchaus erfreulich ist. Vor diesem Hintergrund haben Vorstand und Aufsichtsrat gemeinsam beschlossen, der Hauptversammlung eine Dividendenausschüttung von 0,15 EUR je Aktie vorzuschlagen. Denn die aus Sicht beider Gremien einmaligen Sondereffekte verdecken die grundsätzlich positive Ergebnisstruktur des Konzerns, an der auch Sie als Aktionärinnen und Aktionäre teilhaben sollen.

Auch für die weiteren Finanzkennzahlen haben wir den Ausblick des Halbjahresberichts erfüllt: Trotz eines umsichtigen Lagerbestandsmanagements, das aufgrund der eingeschränkten Rohstoffverfügbarkeiten und der Lieferkettenproblematik auf die Absicherung der Produktion ausgerichtet war, konnte die Net-Working-Capital-Quote mit 25,1 % im Jahresverlauf fast wieder auf das Ausgangsniveau zurückgeführt werden. Zudem machte es ein positiver operativer Free Cashflow von 14,8 Mio. EUR möglich, die Nettofinanzverbindlichkeiten trotz des schwierigen Umfelds noch einmal leicht gegenüber dem Vorjahr auf einen Wert von 364 Mio. EUR zu reduzieren.

Mit diesen Rahmendaten sind wir schlagkräftig aufgestellt, um in die nächste Phase der Transformation einzutreten. Darauf ist unsere Strategie ausgerichtet. Im neuen Geschäftsjahr laufen neue Serienaufträge in den strategischen Zukunftsfeldern der Elektromobilität und des Strukturleichtbaus an. Wir werden weiter wachsen. Unsere Pläne zielen darauf ab, dass wir im Jahr 2030 Umsatzerlöse von mehr als 3 Mrd. EUR generieren. Basis dafür ist die innovative Ausrichtung unseres Produktportfolios. Mit Komponenten wie dem Zellkontaktiersystem oder der Bipolarplatte können wir Hersteller ausstatten, die in den neuen Antriebstechnologien Systemkompetenz im eigenen Haus halten wollen. Gleichzeitig bieten wir Batteriemodule oder Brennstoffzellenstacks an. Und nicht zuletzt können wir auch ganze Batteriesysteme oder elektrische Antriebseinheiten liefern, wenn der Kunde komplette Systeme benötigt. Wir bieten für jeden Nachfragebedarf die passende Lösung – nicht nur von der Technologie, sondern auch von der Wertschöpfungstiefe her.

Die innovativen Produkte sind aber nicht unser einziger Erfolgsfaktor für die Zukunft. Wir werden uns auch in weiteren Bereichen optimal aufstellen, um ElringKlinger erfolgreich weiterzuentwickeln. An erster Stelle möchte ich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nennen, die sich tagtäglich mit ihren Ideen und ihrem Engagement für den Erfolg des Unternehmens einbringen. Auch im Namen meiner Vorstandskollegen danke ich ihnen dafür sehr herzlich. Zu einem erfolgreichen Konzern gehört eine gesunde Unternehmenskultur, die wir kontinuierlich weiter ausbauen wollen. Denn ElringKlinger will auch in Zukunft ein moderner, attraktiver Arbeitgeber sein. Gleichzeitig haben wir uns als Konzern strukturell auf das weitere Wachstum vorbereitet, indem wir Abläufe standardisieren und – wo nötig – nachschärfen. Nicht nur in diesem Zusammenhang werden wir das immense Potenzial der Digitalisierung nutzen, um als Konzern effektiver und effizienter agieren zu können.

Als Teil des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenlebens stellt sich ElringKlinger aber auch seiner unternehmerischen Verantwortung. Für uns hat Nachhaltigkeit Priorität. Mit unseren Produkten setzen wir schon seit jeher auf nachhaltige Mobilität. Nun wollen wir den nächsten Meilenstein erreichen und unseren ökologischen Fußabdruck verringern. Der Konzern produziert schon jetzt in Deutschland bilanziell CO2-neutral und wird dies bis 2030 auch weltweit umsetzen. Der Windkraftanlage am britischen Standort in Redcar sind bereits Photovoltaikanlagen zur Stromerzeugung in Deutschland, Indien und China gefolgt. Darüber hinaus decken wir einen Teil des Strombedarfs mit dem Betrieb von eigenen Blockheizkraftwerken ab. Diesen Weg werden wir konsequent weiter beschreiten.

Doch Nachhaltigkeit geht weit über Umweltfreundlichkeit hinaus. Nachhaltigkeit bedeutet für uns auch klare Governance-Strukturen und den Einsatz für ein soziales Miteinander, insbesondere rund um unsere Standorte. Kern dieses Bewusstseins ist selbstverständlich auch das Engagement für sozial Benachteiligte. So, wie es schon unser Firmengründer Paul Lechler formuliert hat.

Liebe Aktionärinnen und Aktionäre, der Kurs von ElringKlinger ist festgelegt. Wir haben einen klaren Weg vorgezeichnet, um die Mobilität von Morgen mitzugestalten. ElringKlinger wird die Transformation für sich nutzen. Ich lade Sie herzlich dazu ein, sich vom großen Potenzial unseres Konzerns zu überzeugen, und wünsche Ihnen bei der Durchsicht des Geschäftsberichts viel Freude. Gleichzeitig danke ich Ihnen für Ihr Vertrauen, das Sie ElringKlinger entgegenbringen.

Dettingen/Erms, im März 2023

Dr. Stefan Wolf
Vorsitzender des Vorstands