Pulse

Materialfluss

Wenn in den deutschen Werken von ElringKlinger die Arbeit beginnt, bereiten sich die chinesischen Kollegen bereits auf den Feierabend vor, während in Amerika gerade eine Nachtschicht endet. ElringKlinger ist immer in Bewegung, das kann man auch an den globalen Güterströmen des Unternehmens ablesen. Blickt man in die Welt der Rohstoffe, mit denen CO2-freundliche Fahrzeuge heute konzipiert werden, finden insbesondere Metalle und Kunststoffgranulate ihren Einsatz. Doch wie ist es eigentlich möglich, die Materialströme innerhalb eines global agierenden Konzerns in einer weltweit angespannten Liefersituation aufrechtzuerhalten?

Bis zu 24.000 20-Fuß Standard Container können Containerschiffe aufnehmen. Sie transportieren wertvolle Rohstoffe und Güter über die Weltmeere und sind ein elementarer Bestandteil der globalen Lieferketten. Während der Pandemie zeigte sich, dass es nicht nur Güter sein können, welche knapp werden, sondern auch Container selbst.

Die Weltwirtschaft wurde in den vergangenen zwei Jahren vom Coronavirus förmlich ausgebremst – ein Virus, das zunächst die Bevölkerung in ihrer Mobilität lahmlegte, bevor sich seine weitreichenden Folgen aufgrund der Schutzmaßnahmen in kürzester Zeit auch ökonomisch bemerkbar machten. Als die Weltwirtschaft nach dem harten Lockdown im Frühjahr 2020, der in vielen Unternehmen und auch bei ElringKlinger komplette Produktionsstopps mit sich brachte, wieder anlief, machten sich Engpässe bemerkbar. Diese wirkten sich nicht nur auf die allgemeine Verfügbarkeit von Waren und Rohstoffen aus, sondern führten auch zu deutlichen Preisanstiegen und enormen Lieferverzögerungen.

Die Nachfrage nach Kunststoff, Stahl, Blech und Holz nahm zu Beginn der Coronavirus-Pandemie deutlich zu. Dies geschah zu einer Zeit, in der Kapazitäten rückläufig waren und nicht schnell genug ausgebaut werden konnten. Produktionsvolumina waren vielerorts heruntergefahren worden, was schon am Anfang der Wertschöpfungskette eine Verzögerung verursachte. Hinzu kam, dass der Welthandel unter einem Mangel an Schiffscontainern litt.

60 % des globalen Güterverkehrs entfällt auf Schiffe. Viele dieser mitunter Riesen-Transporter haben Waren und Rohstoffe aus China geladen und bringen diese in 48 Tagen – vorbei an Indien, durch den Suez-Kanal und das Mittelmeer – nach Europa. Als zu Beginn der Pandemie lediglich China einen strikten Lockdown verordnete, wurden leere Container nicht nach China zurückgeschickt. Dies mündete zum Ende des chinesischen Lockdowns in einem großen Mangel an Containern, was dazu führte, dass die Transportkosten wie auch die Preise für Container deutlich stiegen. Zusätzlich zu den gestiegenen Transportkosten und den durch das Coronavirus bedingten Restriktionen auf dem Arbeitsmarkt war eine erhöhte Exportquote bei Rohstoffen und Industriegütern von China und den USA zu verzeichnen, welche durch eine hohe Nachfrage entstand. Darüber hinaus war ein weiterer Zusammenhang relevant: Aufgrund der anhaltend geringen Zinsen war die Nachfrage gerade in der Baubranche global auch sehr stark. Diese Branche verlangt insbesondere nach Holz und Stahl – Rohstoffe, welche schnell signifikant teurer wurden.

Stahl ist ein Basisrohstoff für die Automobilindustrie, die wiederum einer der größten Abnehmer der Stahlbranche ist. Zu Beginn der Coronavirus-Pandemie mussten Produktionen weltweit heruntergefahren werden, sodass auch viele Stahlwerke ihre Produktion drosselten oder ihre Kapazitäten teils drastisch reduzierten. Die hieraus entstandene Rohstoffknappheit war signifikant. Ähnliches galt auch und gilt noch für andere wichtige Rohstoffe wie Aluminium oder Kunststoffgranulate wie PA6.6. Die Rohstoffverfügbarkeit war gestört, die Nachfrage stieg an, sodass die eh schon hohen Preise weiter anzogen.

Die Automobilindustrie ist einer der größten Abnehmer der Stahlbranche. Stahl wird meist in Bändern geliefert, welche mehrere hundert Kilogramm wiegen. Lieferschwierigkeiten in der Stahlbranche setzten der Automobilindustrie schwer zu.

Lokal und Global – von unserem Ursprung in Deutschland haben wir uns global aufgestellt, um unsere Kunden lokal zu bedienen.

Die Verfügbarkeit wurde weiter eingeschränkt, da immer mehr Fälle von „Force Majeure“ auftraten – beispielweise durch Extremwetterereignisse. Lieferverträge konnten nicht mehr eingehalten werden, was unter normalen wirtschaftlichen Umständen Strafzahlungen der Lieferanten an die Kunden bedeutet hätte. Der Begriff „Force Majeure“, französisch für „Höhere Gewalt“, beschreibt ein schadensverursachendes Ereignis, welches von außen einwirkt und durch zumutbare Sorgfalt nicht abgewendet werden kann. Eine Force-Majeure-Klausel ist Bestandteil vieler internationaler Lieferverträge. Auf diese Klausel wurde sich in den letzten beiden Jahren seit dem Beginn der Coronavirus-Pandemie sehr häufig berufen. Lieferanten ist es aus einer Vielzahl von Gründen nicht möglich gewesen, die Lieferverträge fristgerecht zu erfüllen. Der weltweite wirtschaftliche Schaden, der hierdurch entstand, ist enorm. Und diese angespannte Situation hält letztlich bis heute an.

Ein besonderer Fall ereignete sich im letzten Jahr: Als am 23. März 2021 das Container-Schiff „EverGiven“ auf dem Weg von Shanghai nach Rotterdam im Suez-Kanal mit dem Bug im östlichen Kanalufer strandete, sich quer stellte und so den Verkehr durch den Suez-Kanal in beide Richtungen blockierte, war das Chaos perfekt. Auch wenn man noch viel längere Sperrzeiten für dieses Nadelöhr der globalen Logistik befürchtete, dauerte es immerhin sechs Tage, bis die Havarie beseitigt war. Hunderte Schiffe mussten warten, bevor sie ihre Fahrt fortsetzen konnten. Und die Folgen waren auch mit der Bergung des Schiffes noch nicht beseitigt: Die vielen wartenden Schiffe liefen nach und nach ihre Zieldestinationen an, doch dort konnte man die geballten Ankünfte nicht bewältigen. Der Stau verlagerte sich somit vor die einzelnen Häfen.

Dieses Ereignis zeigt, wie komplex und gar zerbrechlich die globalen Lieferketten sind. Insbesondere Unternehmen, die nur an einem Standort oder nur auf einem Kontinent produzieren, waren sehr stark betroffen. Wenn sie Kunden auf der ganzen Welt hatten, mussten sie zur Einhaltung der Lieferverträge die Preisbewegungen auf den Logistikmärkten schultern. Wie die Rohstoffe entwickelten sich die Preise auch hier rasant. Kostete eine Fracht mit einem 40-Fuß-Schiffscontainer auf den acht wichtigsten Ost-West-Schiffsverbindungen – also beispielsweise von China nach Europa oder in die USA – Anfang Januar 2020 durchschnittlich noch 1.780 USD, waren es im Dezember 2021 bereits 9.340 USD – eine Preissteigerung um satte 425 %.

Die Logistikexperten und Produktionsplaner bei ElringKlinger sind jederzeit bemüht, den kürzesten und effizientesten Weg für sämtliche Materialströme innerhalb des Konzerns zu finden. Hierfür wird modernste Software verwendet, um Liefertermine auf der Wareneingangsseite zu koordinieren und Lieferungen an Kunden auf der Absatzseite zu erreichen.

Gerade bei Betrachtung dieser Entwicklung hat sich die Globalisierungsstrategie von ElringKlinger bezahlt gemacht. ElringKlinger beliefert allein im Segment Erstausrüstung Kunden in 62 Ländern weltweit und hat 39 Produktionsstandorte in allen für die Automobilindustrie relevanten Regionen. Für ElringKlinger gilt: „Lokal und global“ – von seinem Ursprung in Deutschland aus hat sich der schwäbische Zulieferer global aufgestellt, um seine Kunden lokal zu bedienen. Der Konzern ist dadurch nicht nur näher am Kunden, sondern er versteht ihn besser, kann ihn besser unterstützen und Entwicklungsprojekte gemeinsam mit dem Kunden vorantreiben. Insbesondere in den vergangenen zwei Jahren hat sich gezeigt, dass die Fähigkeit, die Kunden fristgerecht zu beliefern, ein hohes Gut ist. Für ElringKlinger müssen beispielsweise nicht zahlreiche Rohstoffe von China nach Deutschland verschifft werden, um hier zu Produkten verarbeitet und im Anschluss zu den Kunden nach China zurückgeschickt zu werden. Dieses Vorgehen wäre nicht nur kostspielig und anfällig für Lieferverzögerungen, sondern hätte vor allem auch einen negativen Einfluss auf unsere Umwelt und unser Klima. Denn die globale Aufstellung zur Produktion vor Ort bedeutet auch, dass die CO2-Belastung signifikant reduziert werden kann.

Die Logistikexpert:innen und Produktionsplaner:innen bei ElringKlinger sind jederzeit bemüht, den kürzesten und effizientesten Weg für sämtliche Materialströme innerhalb des Konzerns zu finden. Dazu ist ein maßgeschneidertes Handeln erforderlich, denn es gibt nicht die eine Lösung, die für alle Produktionsstandorte die beste ist und als Muster von einem auf alle anderen Standorte übertragen werden kann. Vielmehr müssen verschiedene Faktoren bereits bei der Planung und Konzeption der Produktion einbezogen werden. Hierbei spielen insbesondere Materialpreise und -eigenschaften, Frachtpreise, Verfügbarkeiten, CO2-Emissionen bei der Herstellung durch die Zulieferer und deren Frachtweg sowie Lagerkapazitäten eine große Rolle. Wurden die geeigneten Lieferanten hierfür ausgewählt, sind Liefertermine und -bedingungen seitens der zentralisierten Einkaufsabteilung der ElringKlinger AG zu verhandeln. Eine sorgfältige Auswahl der Lieferanten ist aufgrund der Langfristigkeit vieler Liefervereinbarungen unabdingbar für die langfristige Produktionssicherheit. Nur wenn diese gegeben ist, kann ElringKlinger selbst seine Lieferverpflichtungen einhalten. Den Expert:innen kommt somit eine hohe Verantwortung zu. Diese tragen und erfüllen sie tagtäglich und tragen dadurch dazu bei, dass der Konzern mit seiner Globalisierungsstrategie bei lokaler Produktion schnell, flexibel, zuverlässig und umweltfreundlich ist.

Lastkraftwagen liefern Rohstoffe und Güter in die Lager und Werke der ElringKlinger AG und holen fertiggestellte Waren ab. In allen für die Automobilindustrie relevanten Regionen produziert die ElringKlinger AG ihre Produkte lokal, so dass diese direkt per LKW dem Kunden zugestellt werden können.