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Joint Forces

Wasserstoff wird auf dem Weg der Dekarbonisierung eine große Rolle spielen. Von der vielversprechenden Zukunft dieser nachhaltigen Antriebstechnologie überzeugt, sind ElringKlinger und Plastic Omnium übereingekommen, die wasserstoffbasierte Brennstoffzellentechnologie stark voranzu­treiben. Über das Joint Venture EKPO Fuel Cell Technologies werden sie gemeinsam Brennstoffzellenstacks und -komponenten entwickeln, herstellen und vermarkten.

Am Stammsitz von ElringKlinger in Dettingen / Erms wird auch EKPO Fuel Cell Technologies beheimatet sein. Dort wird eine erste Serienproduktion von bis zu 10.000 Stacks pro Jahr möglich sein.

Es begann alles am Rande einer IAA in Frankfurt. Bereits im Vorfeld hatte ElringKlinger Plastic Omnium zu einem ersten Treffen auf der Messe eingeladen. Infolgedessen besuchte die französische Delegation mit Laurent Burelle, Mehrheitsaktionär und seinerzeit CEO von Plastic Omnium, und Félicie Burelle, seinerzeit Leiterin Strategy & Development, inzwischen Managing Director, den Stand von ElringKlinger. Im Gespräch mit ElringKlinger-CEO Dr. Stefan Wolf sowie dem Leiter Brennstoffzellentechnologie, Armin Diez, und dem Leiter Global Strategy, M&A and Innovations, Dr. Gernot Stellberger, stellte man schnell fest, dass man nicht nur ähnliche Strukturen hat, sondern auch die gleichen Werte teilt. Beide Unternehmen sind börsennotiert, haben aber Familien als starke Ankeraktionäre. Und beide Unternehmen haben die Vision einer emissionsfreien Mobilität: Wasserstoff wird ein wesentlicher Energieträger der Zukunft sein.

Das gleiche Verständnis begeisterte an diesem IAA-Tag beide Gesprächspartner gleichermaßen und man verabredete sich zu weiteren Runden, um ein gemeinsames Vorgehen auszuloten und abzustecken. Auf Seiten von ElringKlinger führte Dr. Gernot Stellberger die Gespräche. Als sein Pendant bei Plastic Omnium stieß, nachdem die ersten Grundlagen geschaffen waren, Anfang 2020 Marc Perraudin hinzu, CEO des Bereichs Plastic Omnium New Energies. Ein besonderer, gewinnbringender Zufall, denn beide kannten sich bereits aus früherer Zusammenarbeit. „Dadurch hatten wir ein großes Vertrauen zueinander, das jeden der nächsten Schritte beförderte“, erinnert sich Stellberger. „Ein gegenseitiges Abtasten hatten wir nicht nötig“, ergänzt Perraudin. „Wir konnten uns weiter voll auf unsere gemeinsamen Ziele konzentrieren.“ Dabei standen beide in engem Kontakt mit ihren Vorstandsvorsitzenden. Dr. Wolf wie auch Laurent Favre, inzwischen CEO bei Plastic Omnium, waren über jeden Teilschritt stets informiert.

Zunächst fixierten Perraudin und Stellberger die gemeinsamen Ansichten über die Mobilität. Dass die wasserstoff­basierte Brennstoffzelle eine Antriebstechnologie der Zukunft sein wird, ist für beide Konzerne vollkommen klar. Beide wissen, dass sie in hohen Stückzahlen interessanter wird, denn durch Skaleneffekte sinkt der Preis pro Stück. Ihre Stärke spielt die Technologie zunächst vor allem im Nutzfahrzeugbereich aus: Bei langen Strecken oder Routen mit anspruchsvollem Profil müsste ein batterieelektrischer Lkw wahrscheinlich mehrmals an die Ladestation, um die Strecke zu bewältigen. Ladezeiten bedeuten für den Spediteur aber Stillstand und damit zusätzliche Kosten.

Die CEOs der beiden Partner, Laurent Favre (r.) und Dr. Stefan Wolf (l.), haben den Joint Venture-Vertrag Ende Oktober 2020 gemein­sam unterzeichnet.

 

Alternativ kann man die Batterie bei einem Lkw so groß dimensionieren, dass weniger Ladestopps notwendig sind. Dann aber hat der Spediteur durch entgangene Nutzlast zusätzliche Kosten bzw. weniger Gewinn. Durch Brennstoffzellen angetriebene Lkw lösen diesen Zielkonflikt auf. Die Energie wird an Bord erzeugt, ermöglicht größere Distanzen und vermeidet längere Stillstandzeiten. Ein Tankvorgang dauert nicht viel länger als bislang, vielleicht fällt er doppelt so lang aus – aber der Lkw-Fahrer wird keine Stunde oder noch länger wie an Ladestationen brauchen, um wieder ausreichend Energie an Bord zu haben.

„Ausgehend von diesem gemeinsamen Verständnis haben wir dann die Stärken identifiziert, die jeder Partner beitragen kann, und die nächste Stufe geplant“, führt Stellberger aus. „Es war klar, dass wir sehr eng zusammenarbeiten wollten, um den Markt für Brennstoffzellen zu erschließen.“ Man war sich einig über ein Gemeinschaftsunternehmen für Stacks und Komponenten, gleichzeitig erwirbt Plastic Omnium die österreichische Tochtergesellschaft von ElringKlinger, um einen Systemfokus zu schaffen. ElringKlinger verfügt über die Technologie für zuverlässige Komponenten und leistungsfähige Stacks und war bereit, diese einzubringen. Plastic Omnium unterstützt im Gegenzug das gemeinsame Unternehmen, um Produktionskapazitäten auszubauen und die Markterschließung zu beschleunigen. Insgesamt 100 Mio. EUR wird der Konzern aus Levallois bei Paris dafür bereitstellen. „Wenn unser Gemeinschaftsunternehmen über eine hervorragende Technologie verfügt, muss diese auch überzeugend und schnell den Kunden nahegebracht werden“, erläutert Perraudin die Zielsetzung der Zusammenarbeit.

Das gemeinsame Unternehmen soll schnell wachsen können. „Wir sehen gerade in Asien ein großes Potenzial“, merkt Stellberger an. „Hier haben sich schon viele Hersteller im Bus-, aber auch im Pkw-Segment klar zur Brennstoffzellentechnologie bekannt.“ So bieten Toyota und Hyundai bereits Serien-Pkw mit Brennstoffzelle an. Auch Staaten unterstützen diesen Weg. China z.B. fördert brennstoff­zellen­betriebene Busse mit staatlichen Mitteln, um nicht nur die Batterietechnologie voranzutreiben. Vielfalt in den Antriebstechnologien für die unterschiedlichen Anwendungsfelder ist als Prinzip klar zu erkennen.

In Europa ist diese starke öffentliche Unterstützung erst seit jüngerer Zeit festzustellen. Die 2020 verabschiedete Nationale Wasserstoffstrategie in Deutschland umfasst ein Volumen von 9 Mrd. EUR, in Frankreich ist ein ähnliches Programm 7 Mrd. EUR schwer. Das deutsch-französische Bündnis aus ElringKlinger und Plastic Omnium setzt auch darauf, dass der Technologie damit zum Durchbruch verholfen wird. „Um die Technologie zu entwickeln, sind die Unternehmen – oft staatlich unterstützt – in Vorleistung gegangen. Nun sind alle Akteure gefordert: Die Infrastruktur und die Wasserstoffproduktion müssen zwingend zügig aufgebaut werden“, bemerkt Stellberger. Der Vorteil ist, dass dazu das vorhandene Tankstellennetz genutzt werden kann. „Eine Umrüstung ist zwar nicht günstig. Aber alles muss im Verhältnis betrachtet werden. Eine dezentrale Ladeinfrastruktur mit einem ausreichend leistungsfähigen Leitungsnetz, wie es für die batteriebetriebenen Fahrzeuge notwendig ist, ist ebenfalls kostspielig“, so Stellberger weiter.

Nachdem man sich über die Rahmenbedingungen der gemeinsamen Gesellschaft geeinigt hatte, stand als Letztes die Namensfindung an. „Uns war klar, dass sich die Partner ebenso wie die Technologie im Namen wiederfinden sollten“, erklärt Perraudin die letztlich schnell gefundene Lösung. „EKPO Fuel Cell Technologies“ wurde als Marke geboren und wird die Märkte erobern. Der Business Plan sieht ein zügiges Wachstum bis zum Ende der Dekade vor: Im Jahr 2030 will man mit einem Umsatz von 700 Mio. bis 1 Mrd. EUR einen Marktanteil von 10 bis 15 % erzielt haben. „Das ist sicherlich sehr ehrgeizig“, sind sich beide einig. „Aber unsere Technologie und unsere gemeinsame Vision von der Mobilität der Zukunft wird die Märkte überzeugen.“

Marc Perraudin gehört seit 1995 der Compagnie Plastic Omnium an und leitet seit März 2020 den Bereich Plastic Omnium New Energies. Zuvor war er vor allem für R&D sowie das Business Development des Konzerns verantwortlich.

Dr. Gernot Stellberger ist seit 2017 bei ElringKlinger und leitet dort den Bereich „Global Strategy, M&A, and Innovations“. Er ist seit Frühjahr 2021 einer der drei Geschäftsführer der EKPO Fuel Cell Technologies.

1. Deutsch und Französisch – Warum wird die Partnerschaft zwischen ElringKlinger und Plastic Omnium funktionieren?

Perraudin: Plastic Omnium, ein französischer Konzern, arbeitet schon lange mit deutschen Unternehmen zusammen – sowohl in Kundenbeziehungen als auch durch Joint Ventures oder technologische Partnerschaften. Darüber hinaus sind wir in Deutschland in allen Regionen des Landes stark vertreten, denn Deutschland ist Technologieführer in der Automobilbranche. Auf dieser Basis war es nahezu logisch, dass die gleiche Unternehmenskultur, die jeweils starke Innovationskraft und die gemeinsame Vision von der zukünftigen Mobilität die beiden Partner Plastic Omnium und ElringKlinger zusammengeführt haben.

Stellberger: Deutsch-französische Kooperationen haben eine gewisse Tradition und funktionieren immer dann, wenn sich beide Akteure als Partner auf Augenhöhe verstehen und sich respektieren – das ist hier der Fall. Vor diesem Hintergrund passen ElringKlinger und Plastic Omnium hervorragend zueinander: Sie haben eine sehr ähnliche Unternehmens­kultur, die gleiche Eigentümerstruktur, beide eine schlagkräftige Organi­sation und klare, unkomplizierte Ent­scheidungswege. Das sind wesentliche Erfolgsfaktoren, die nicht zu unterschätzen sind. Bereits ganz zu Beginn auf der IAA war zu spüren, dass die Chemie stimmt.

2. Was war Ihre größte Herausforderung auf dem Weg zur Partnerschaft?

Perraudin: Ein Joint Venture zu vereinbaren ist immer eine Herausforderung. Eine erfolgreiche Partner­schaft basiert auf der gemeinsamen Vision, aber auch auf gegenseitigem Vertrauen, Fairness und Respekt. Wir konnten diese Qualität von Be­ginn an und zu jedem Zeitpunkt der Ge­spräche auf allen Ebenen der beiden Unternehmen aufbringen. Das war der Schlüssel zum Erfolg.

 

Stellberger: Mit Sicherheit die Corona-Pandemie mit ihren Folgen. Wäre es uns nicht gelungen, schon in der Phase bis März 2020 durch verschiedene Termine in Deutschland und Frankreich eine Vertrauensbasis aufzubauen, wäre alles viel schwieriger und vor allem bedeutend langwieriger geworden. Denn solche komplexen Vor­gänge sind eigentlich kaum ohne physische Zusammenarbeit zu stemmen. Aber wir haben die zeitlichen und inhaltlichen Ziele voll erfüllt, daran konnte uns auch das Coronavirus nicht hindern.

3. Wo sehen Sie EKPO Fuel Cell Technologies im Jahr 2030?

Perraudin: EKPO Fuel Cell Technologies wird von Tag eins an den Unterschied ausmachen: ein einzigartiges technologisches Angebot an den Markt, bereits heute marktreife Produkte für die Mobilität von morgen, eine langjährige technologische und industrielle Expertise von ElringKlinger und eine bereits installierte Produktionskapazität. Mit diesem Startpunkt, der Schlagkraft beider Partner und den starken Investitionsmöglichkeiten ist nichts anderes abzuleiten als eine Führungsposition im Markt. Wasserstoffantrieb wird Realität und EKPO Fuel Cell Technologies wird die Nummer eins für Brennstoffzellenstacks weltweit.

Stellberger: Bis zum Jahr 2030 wird sich die Brennstoffzellentechnologie durchgesetzt haben. Die Mobilität wird von einem Mix verschiedener Antriebstechnologien getragen, der aus der Infrastruktur und Kosten-Nutzen-Aspekten hergeleitet wird. Hier wird die Brennstoffzelle überzeugen. Erst bei Nutzfahrzeugen, Lkw und Bussen, später auch im Pkw-Segment. In diesem Umfeld wird EKPO Fuel Cell Technologies ein Markenname sein, der für einen der führenden Brennstoffzellenplayer weltweit steht. Wir werden den Wandel in der Mobilität maßgeblich mitgestalten und auf dem Weg der Dekarbonisierung mit unserer Technologie ein hohes Tempo halten. Das ist der klare Anspruch.