China ist Spitzenreiter in der E-Mobilität. Nirgendwo sonst rollen so viele Elektroautos über die Straßen. Doch auf dem größten Automarkt der Welt dreht sich nicht nur vieles um den Batterieantrieb. Auch die Brennstoffzelle ist im Kommen. Leichtbau spielt dabei für beide Technologien eine wichtige Rolle. ElringKlinger ist früh in den chinesischen Markt eingestiegen und will sich Marktanteile im Bereich alternativer Antriebsarten sichern.
Umgerechnet rund 60.000 Euro schießt der chinesische Staat beim Kauf eines Wasserstoffbusses oder 25.000 Euro für ein Auto zu. In den kommenden Jahren wird erwartet, dass die Kosten für Brennstoffzellensysteme mit steigenden Produktionszahlen deutlich sinken.
Kaum ein Land der Welt hat sich so rasant entwickelt wie China. Heute zählt die Volksrepublik mehr als 1,4 Mrd. Einwohner, die Wirtschaftsleistung dürfte 2018 auf über 14 Bio. US-Dollar steigen. In Megametropolen wie Chongqing, Shanghai oder Tianjin ragen gewaltige Wolkenkratzer in den Himmel und moderne Leuchtreklamen blinken entlang endlos überfüllter Straßen. Wer es sich leisten kann, fährt Auto – auch wenn der Verkehr in den Großstädten zu den Stoßzeiten regelmäßig kollabiert. China ist mittlerweile nicht nur der größte Automobilmarkt der Welt, sondern auch der größte Markt für alternative Antriebe. Motiviert vom Anspruch auf Technologieführerschaft und beeinflusst durch die starke Luftverschmutzung treibt das Land das Thema Elektromobilität mit voller Fahrt voran. Mehr als 40 % der weltweit produzierten Elektrofahrzeuge sind auf Chinas Straßen unterwegs. Von den weltweit 25 Städten mit der höchsten Dichte an E-Autos sind 17 chinesisch. Allein in Shanghai sind mehr als 160.000 E-Fahrzeuge unterwegs, das sind über 5 % des Weltmarktanteils.
Diese Entwicklung kommt nicht von ungefähr. Das Reich der Mitte hat früh erkannt, welche Rolle die Elektrifizierung für die Mobilität von morgen spielt. Die chinesische Regierung will von der einstigen Werkbank der Welt zur Hightech-Supermacht aufsteigen. Unter dem Motto „Made in China 2025“ hat sie eine Industriepolitik ausgerufen, deren Ziel es ist, in zehn Zukunftsbranchen die führende Position einzunehmen. Der Verkehrssektor ist dabei als eine Kerntechnologie definiert. Damit rücken emissionsarme Antriebe ins Zentrum der Aufmerksamkeit.
„Der chinesische Staat investiert massiv in die Förderung alternativer Antriebstechnologien“, erklärt Humphrey Chen, Geschäftsführer bei ElringKlinger in China. „Mit hohen Kaufprämien wird der Absatz von Elektroautos maßgeblich vorangetrieben.“ Wer in China ein Fahrzeug mit alternativem Antrieb kauft, erhält, abhängig von der Reichweite, Subventionen zwischen 22.000 chinesischen Renminbi (CNY) für Plug-in-Hybride (umgerechnet rund 2.700 Euro) und bis zu 50.000 CNY (ca. 6.000 Euro) für reine Stromer – und für Brennstoffzellenautos sogar bis zu 200.000 CNY (ca. 25.000 Euro). Für Nutzfahrzeuge ist die Prämie aufgrund des teureren Anschaffungspreises höher, je nach Antrieb 100.000 CNY (ca. 12.000 Euro) für batterieelektrische Lkw oder gar stolze 500.000 CNY (ca. 60.000 Euro) für Wasserstoff-Lkw. Fahrer von E-Autos profitieren dabei nicht nur von der staatlichen Förderung bei der Anschaffung, sondern von zahlreichen weiteren Vorteilen. So erhalten sie in vielen Großstädten sofort eine Zulassung und müssen nicht, wie Besitzer von klassischen Verbrennungsmotoren, teilweise monatelang warten. Vielerorts stehen kostenlose Parkplätze zur Verfügung und die Infrastruktur mit Ladestationen und -säulen wird zügig ausgebaut.
Der Staat selbst will mit gutem Vorbild vorangehen. In vielen Städten sind elektrische Dienstwagen für Beamte Pflicht. In Shanghai müssen zum Beispiel 50 % der neuen Dienstwagen E-Autos sein, in Peking sogar 100 %. In Peking müssen auch alle neuen Taxis oder Carsharing-Autos rein elektrisch fahren, bis 2022 soll die komplette Flotte umgestellt sein. Doch damit nicht genug: Jüngst schrieb die Regierung eine gesetzliche Quote für E-Autos vor. Für Autohersteller heißt das, sie müssen ein Mindestziel für den Anteil alternativer Antriebe in Produktion und Verkauf einhalten. Ab 2019 gilt eine Quote von 10 %, ab 2020 dann von 12 %.
China ist und bleibt damit weltweit der Leitmarkt für Elektromobilität. Die einheimischen Hersteller, die den Markt noch zu rund 90 % dominieren, wappnen sich deshalb für die neue Mobilität.
ElringKlinger ist seit über 25 Jahren in China präsent und hat gute Beziehungen zu lokalen Herstellern aufgebaut. Von den rund 170 Mio. Euro Umsatz, die das Unternehmen in China erzielt, entfällt rund ein Viertel auf rein chinesische Kunden. Dirk Schneider verantwortet bei ElringKlinger den Vertrieb für die Region Asien-Pazifik und führt aus: „Einige große chinesische Hersteller wie zum Beispiel BAIC oder Chang’an haben angekündigt, ab 2025 keine Verbrennungsmotoren mehr bauen zu wollen und stattdessen nur noch E-Autos zu verkaufen. Die Regierung hat auch schon öffentlich darüber nachgedacht, Verbrennungsmotoren offiziell zu verbieten – wobei es dazu noch keine konkreten Pläne gibt.“ Der E-Mobility-Boom sorgt außerdem für neue Namen in der Branche und verändert die Wettbewerbslandschaft. Allein in China gibt es mehr als 50 Start-ups, die mit ihren Elektromodellen auf den Markt drängen.
Wer als Zulieferer in der elektrischen Welt von morgen noch dabei sein will, muss sich bereits heute dafür positionieren und global aufstellen. Als Innovations- und Technologieführer ist das für ElringKlinger selbstverständlich. Schon seit 2012 produziert ElringKlinger sogenannte Zellkontaktiersysteme für Lithium-Ionen-Batterien, die in Elektroautos verbaut werden, in Serie. Der erste Kunde war ein deutscher Premiumhersteller mit einem reinen E-Auto. „Der Kundenstamm wurde seitdem ausgebaut und umfasst mittlerweile weitere Fahrzeughersteller und -zulieferer“, erläutert Armin Diez, der bei ElringKlinger als Vice President E-Mobility and New Business Areas für Batterie- und Brennstoffzellenanwendungen zuständig ist.
schaffen batterieelektrische Autos im Durchschnitt. Effiziente Energiespeicher sind dabei von zentraler Bedeutung. ElringKlinger bietet für Lithium-Ionen-Akkus z. B. Zellverbinder oder -gehäuse oder auch das komplette Batteriesystem.
Wo Batterieantriebe die Anforderungen hinsichtlich Reichweite oder Auftankzeit nicht erfüllen können, setzt die chinesische Volksrepublik, ähnlich wie das Nachbarland Japan, auf die Brennstoffzelle. Bis 2020 soll die Wasserstofftechnologie in Serienproduktion massentauglich sein. Der Fokus liegt zunächst auf Nutzfahrzeugen wie Bussen, da die Infrastruktur dafür relativ simpel ist. Die Kosten für Brennstoffzellen sind allerdings noch sehr hoch. Experten gehen jedoch davon aus, dass sie in den kommenden Jahren spürbar sinken. Bei den Olympischen Winterspielen, die 2022 in Peking stattfinden, sollen Wasserstoffbusse öffentlichkeitswirksam zum Einsatz kommen. Und bis 2030 sollen 1 Mio. Brennstoffzellenfahrzeuge auf chinesischen Straßen unterwegs sein. Anfang 2018 kündigte der chinesische Minister für Industrie und Informationstechnologie Miao Wei, der vor seiner politischen Karriere Chef beim zweitgrößten chinesischen Autohersteller Dongfeng war, an, Brennstoffzellenfahrzeuge und -infrastrukturen stärker fördern zu wollen. Die Regierung investiert zum Beispiel in den Bau einer „Wasserstoffstadt“ in Jinan im Osten des Landes, um die Entwicklung von Wasserstofffahrzeugen voranzutreiben.
beträgt die Reichweite von Fahrzeugen mit Brennstoffzellenantrieb. ElringKlinger hat neben marktreifen Komponenten wie Bipolarplatten auch komplette Brennstoffzellensysteme im Portfolio.
Ein Mitarbeiter im neuen ElringKlinger-Werk in Chongqing prüft ein Türmodul. Leichtbau spielt bei der E-Mobilität eine große Rolle.
China, das einstige Schwellenland, prägt damit maßgeblich die Zukunft der neuen Mobilität. Im Bereich Brennstoffzelle sieht Armin Diez für ElringKlinger großes Potenzial in dem asiatischen Land. „Von unseren derzeit laufenden Entwicklungsprojekten im Bereich Brennstoffzelle erfolgen über zwei Drittel mit chinesischen Partnern“, so Diez. Das Unternehmen forscht und entwickelt seit knapp 20 Jahren auf diesem Gebiet und hat heute ein breites Produktspektrum im Angebot. „Wir decken eine sehr hohe Wertschöpfungstiefe ab und fertigen wesentliche Schlüsselkomponenten wie Bipolarplatten oder Kunststoffmedienmodule selbst“, erklärt Diez. „Damit können wir komplette Brennstoffzellenstacks, -module und -systeme anbieten.“ Um die starke Nachfrage insbesondere aus China abzudecken, hat ElringKlinger kürzlich ein Applikations- und Engineering-Zentrum am bestehenden chinesischen Standort in Suzhou eingerichtet. Demnächst sollen hier erste Prüfstände für Brennstoffzellenanwendungen in Betrieb gehen.
Neben Batterie und Brennstoffzelle spielt das Thema Leichtbau eine ganz entscheidende Rolle bei der Zukunft der Mobilität. Denn weniger Gewicht im Fahrzeug bedeutet weniger Kraftstoffverbrauch bzw. eine höhere Reichweite. Leichtbau gilt deshalb als Wegbereiter für Elektromobilität und stellt eine wichtige strategische Säule im ElringKlinger-Produktportfolio dar. 2015 ist der Zulieferer mit sogenannten Cockpitquerträgern und Frontendträgern in Hybridtechnologie in das Feld des Strukturleichtbaus eingestie-gen. Gegenüber herkömmlichen Metallvarianten kann die ElringKlinger-Lösung, die Aluminium mit Kunststoff kombiniert, um bis zu 40 % Gewicht einsparen. Dem ersten Großauftrag für das neue Leichtbauprodukt folgte bald ein zweiter. Heute laufen die Cockpitquerträger in Kanada, den USA und auch in China in Serie vom Band.
Klaus Bendl, Vice President Leichtbau/Elastomertechnik, verantwortet bei ElringKlinger unter anderem den Bereich Strukturleichtbau und sieht neben dem Cockpitquerträger zahlreiche weitere Anwendungsmöglichkeiten auf Basis der neuen Hybridtechnologie. „Die Anzahl unserer Entwicklungsprojekte im Bereich Leichtbau ist in den letzten Jahren überproportional gestiegen“, so Bendl. „Auch bei neuen Automobilherstellern, die bislang noch nicht zu unserem Kundenstamm gehören, sehen wir großes Potenzial.“ Der chinesische Markt steht dabei natürlich mit ganz oben auf der Agenda.
Um das Potenzial, das der chinesische Markt bietet, ausschöpfen zu können, verfügt ElringKlinger über ein gut ausgebautes Produktionsnetzwerk in der Volksrepublik. Mittlerweile produziert der Autozulieferer an drei Standorten in China: in Changchun im Norden, in Suzhou im Osten und, ganz neu, in Chongqing im Südwesten.
Chongqing liegt rund 1.600 km entfernt von Shanghai im Landesinneren und ist das wirtschaftliche Zentrum des chinesischen Westens. Namhafte Automobilhersteller sind dort ansässig. 2017 wurden allein in Chongqing über 3 Mio. Fahrzeuge produziert. Seit 2018 ist ElringKlinger mit einem eigenen Werk dort vertreten. Der neue Standort wurde eigens für die Fertigung von Strukturleichtbauteilen gegründet. Konkret werden dort Türmodulträger aus Organoblech produziert, die in der Kompaktklasse eines globalen Automobilherstellers zum Einsatz kommen. Für die Herstellung der Türmodulträger werden Organobleche umgeformt und Kunststoffelemente für zusätzliche Bauteilefunktionen in einem Prozessschritt angespritzt. Organobleche haben jedoch wenig mit Blech zu tun. Im Gegenteil, es handelt sich dabei um besonders leichte und äußerst stabile Faserverbundwerkstoffe, die gegenüber herkömmlichen Kunststoffen deutlich belastbarer und steifer sind. Wie bei der Hybridtechnologie lässt sich die Technik auf weitere Anwendungen übertragen. Neben Türmodulträgern sind zum Beispiel Sitzschalen, Batterieträger oder Kofferraummulden denkbar. Und bald könnte noch ein neues Werk in Asien entstehen – wenn weitere Strukturleichtbauteile für einen Kunden der neuen Generation in China vom Band rollen sollen.
An dem neuen Standort in Chongqing werden auf über 2.500 m² Türmodulträger aus Organoblech gefertigt. Das Werk, das sich im Aufbau befindet, verfügt über eine jährliche Kapazität von über 1 Mio. Teilen. Aktuell arbeiten rund 30 Menschen hier.
Fest steht: Leichtbau und alternative Antriebstechnologien sind in China bereits im Alltag angekommen und das Land gibt in diesen Bereichen weltweit den Takt vor. Auch bei ElringKlinger spielt beides eine zentrale Rolle: Der Umsatzanteil in diesen strategischen Zukunftsfeldern lag 2018 bei rund 7 % und soll bis 2030 auf über 25 % steigen. Ein anspruchsvolles Ziel, für das der Zulieferer jedoch gut aufgestellt ist – nicht nur in China, sondern rund um den Globus.
Am Türmodulträger werden zum Beispiel Fensterheber oder das Schließsystem befestigt.